Tage der Angst und der Ungewissheit liegen hinter Manivannan Sathasivam. Mittlerweile ist es für den 40-jährigen Tamilen, der seit eineinhalb Jahren in Herrenberg lebt, zur schrecklichen Gewissheit geworden: Einige seiner Verwandten und Freunde auf Sri Lanka sind bei der verheerenden Flutkatastrophe ums Leben gekommen.
Und das Bangen um weitere Angehörige ist noch nicht vorbei. Denn noch immer werden viele Menschen vermisst.
Von der Katastrophe hat Manivannan Sathasivam am Sonntagvormittag im Fernsehen erfahren. Sofort wählte er die Telefonnummern seiner Eltern und seiner Schwiegereltern, die in seiner Geburtsstadt Colombo auf Sri Lanka leben. "Meine Schwiegereltern haben gesagt, dass sie sofort weg müssen", berichtet Sathasivam im "Gäubote"-Gespräch. Zwar liegt Colombo an der Westküste und wurde somit im Gegensatz zur Ostküste nicht mit der vollen Wucht der Flutwelle getroffen. Trotzdem zeigte das Seebeben auch dort seine zerstörerische Wirkung und kostete zahlreichen Menschen das Leben. An einem höher gelegenen Ort wollten sich die Schwiegereltern vor den Wassermassen in Sicherheit bringen. "Wenig später war telefonisch kein Durchkommen mehr", sagt der 40-Jährige, der vor 20 Jahren nach Deutschland kam, aber immer wieder zu Besuch in seine Heimat reist.
Da die Telefonverbindung längere Zeit unterbrochen war, konnte er seine Eltern nicht erreichen. Mehrfach versuchte er, an Informationen über den Verbleib seiner Verwandten zu kommen. Sathasivam telefonierte mit seinen beiden Schwestern in Kanada und befreundeten Tamilen in Deutschland. Mal hatte jemand ein Lebenszeichen von dem Inselstaat im Indischen Ozean erhalten, oft aber auch nicht. Über das Schicksal seiner Verwandten wusste indes niemand Bescheid. Auch bei tamilischen Fernsehsendern in Paris und London, die vermisste Menschen auf Sri Lanka ausfindig zu machen versuchen, meldete er sich. Und er probierte, zu Krankenhäusern auf der Insel Kontakt zu bekommen teilweise vergebens.
Erst am Mittwochabend erreichte der verheiratete Vater von zwei Kindern seine Eltern in Colombo. Die Telefonverbindung funktionierte wieder. Seine Eltern waren ebenfalls vor dem Wasser geflüchtet und nun kurz in ihr Haus zurückgekehrt, um etwas zu holen. Sathasivam erfuhr auch, dass es seinen Schwiegereltern gut geht. Allerdings bekam er gleichzeitig sehr traurige Nachrichten: Seine Tante, deren 16-jährige Tochter und die Frau seines Onkels sind ums Leben gekommen. Auch einige Freunde konnten sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen.
Wirbelstürme und Hochwasser sind auf Sri Lanka keine Seltenheit. Aber: "Eine derartige Katastrophe hat es noch nicht gegeben", sagt Manivannan Sathasivam. Dennoch kann er sich nicht nur durch die Bilder aus dem Fernsehen gut vorstellen, wie furchtbar die Situation in seiner Heimat ist. Mindestens 25 000 Menschen wurden dort getötet. Viele arme Familien, die in Häusern aus Holz und Palmenblättern gewohnt haben, sind obdachlos geworden. Aber selbst stabile Bauten konnten den Naturgewalten nicht standhalten. Die Überlebenden haben kein Wasser, nicht genügend Medikamente und es fehlt an Kleidung. Die Krankenhäuser in den betroffenen Gebieten sind nicht mehr in der Lage, die große Anzahl an Verwundeten aufzunehmen. Und die Seuchengefahr bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius steigt von Tag zu Tag. Sorge hat Sathasivam auch angesichts der politischen Situation auf Sri Lanka. Zwar haben Tamilen und Singhalesen derzeit ein Abkommen über einen Waffenstillstand getroffen. Dennoch gab es bereits Meldungen, dass Lastwagen mit Hilfsgütern für die tamilischen Gebiete im Norden von Singhalesen aufgehalten worden seien. Für Sathasivam ist das unfassbar: "Es sind alle Menschen betroffen, egal ob Singhalesen, Tamilen oder Muslime. Mir tun alle Leid."
Für Sathasivam steht außer Frage, dass er den Menschen in seinem Heimatland helfen will. Gerne würde er selbst nach Sri Lanka fliegen, um vor Ort mitanzupacken. "Aber das geht im Moment nicht. Mehrere Tage oder Wochen wegzufliegen, kann ich mir nicht leisten." Deshalb wird er zum einen seine Angehörigen auf Sri Lanka soweit wie möglich von Deutschland aus unterstützten. Zum anderen beteiligt er sich an einer Hilfsaktion der "Tamilischen Rehabilitation Organisation" (TRO) einem in Wuppertal eingetragenen und bundesweit engagierten Verein. So haben Tamilen gestern Informationsveranstaltungen auf dem Sindelfinger Marktplatz und in der Stuttgarter Fußgängerzone organisiert und Spenden für ihre Landsleute in den Krisengebieten gesammelt. Unter anderem sollen von den Spenden Medikamente, Wasserentkeimungstabletten, Zelte und Nahrungsmittel bereitgestellt werden.
Betroffen vom Schicksal auf Sri Lanka zeigt sich auch Stefan Heinrich, Inhaber der Herrenberger Gaststätte "Schlosskeller", in der Manivannan Sathasivam als Koch arbeitet. Auf jeden Euro, den seine 15 Mitarbeiter für die Hilfsaktion spenden, will der Herrenberger zwei Euro drauflegen. "Die Menschen auf Sri Lanka haben Hilfe bitter nötig", sagt Stefan Heinrich.
Wer die "TRO Not Hilfe" unterstützen will, kann Spenden an die Stadtsparkasse Mönchengladbach überweisen, Konto: 224 162, Bankleitzahl: 310 500 00. ESTHER ELBERS
quelle - http://www.gaeubote.de/
Foto: Holom
09 January 2005
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