06 March 2004

Rebellen in der Krise

Sri Lanka: Befreiungstiger von Tamil Eelam haben sich offensichtlich gespalten

Sri Lankas Regierung muß womöglich bald ein weiteres, separates Waffenstillstandsabkommen aushandeln. Die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) haben sich gespalten. Oberst Karuna, eine der Führungspersönlichkeiten der Tiger, hat jetzt seine »Unabhängigkeit« von der Leitung der Rebellenbewegung erklärt. Vier Wochen vor den Parlamentswahlen am 2. April, die neben den politischen Machtverhältnissen in Colombo letztlich auch über die Fortsetzung des Friedensprozesses entscheiden werden, hat sich die Lage in der südasiatischen Inselrepublik damit weiter verkompliziert.

Was den Rebellenkommandeur, der auch Mitglied im früheren Verhandlungsteam der LTTE mit der Regierung war, konkret zum Bruch bewogen hat, ist noch unklar. Nach bisherigen Informationen soll Karuna extrem unzufrieden mit der Tatsache gewesen sein, daß die Tamilen aus dem Osten des Landes zwar den Großteil der LTTE-Kämpfer stellen, in den Führungsetagen der Rebellenbewegung aber kaum repräsentiert sind. Karuna will für die unter seinem Einfluß stehenden Gebiete rund um die östliche Regionalmetropole Batticaloa nun ein separates Waffenruheabkommen mit Colombo aushandeln. Eine Forderung, die von der Regierung kaum schnell zu erfüllen ist. Erstens muß sowieso das Wahlergebnis samt neuer Machtverteilung abgewartet werden, weil im derzeitigen Machtvakuum, das durch den Streit zwischen Präsidentin und Premier entstanden ist, niemand Verhandlungsautorität hat. Zweitens wird jede künftige Regierung vorsichtig sein, Karuna voreilig durch Gespräche als eigenständigen Machtfaktor anzuerkennen und damit womöglich die LTTE-Führung im Norden zu verärgern.

Absolutes Rätselraten herrscht darüber, warum die Spaltung der Tiger ausgerechnet zu einem Zeitpunkt erfolgte, da sich alles auf die Wahlen konzentriert. Zudem stellt sich die Frage, wie LTTE-Chef Velupillai Prabhakaran mit dem Dissidenten umgehen wird. Bisher hat der Gründer der Bewegung jegliche Opposition mit aller Strenge unterbunden, wenngleich es innerhalb der LTTE-Führung offensichtlich so etwas wie einen Hardliner- und einen liberalen Flügel gibt. Letztlich war jedoch immer Prabhakarans Wort Gesetz, und mehr als einmal mußten sich die Unterhändler der Befreiungstiger in der Vergangenheit bei sensiblen Punkten seiner Einschätzung rückversichern. Prabhakaran soll dem Abtrünnigen angeblich disziplinarische Maßnahmen angedroht haben, doch ist ungeklärt, ob diese ausführbar wären. Denn wie viele Kämpfer aus dem Osten dem Obersten bereits gefolgt sind oder ihm folgen wollen, vermag im Augenblick niemand auch nur annähernd zu sagen.


Thomas Berger
Quelle - Jungewelt.de
5.3.2004

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