11 May 2004

Kehrtwende in Colombo

Sri Lanka: Anerkennung des LTTE-Alleinvertretungsanspruchs durch neue Regierung

Thomas Berger

Seit die Freiheitsallianz (UPFA) unter Führung von Praewsidentin Chandrika Kumaratunga bei den Parlamentswahlen vor einem Monat in Sri Lanka siegte, vollzieht die Partei eine Kehrtwendung in ihrer Politik gegenueber den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE). Die offizielle Anerkennung des LTTE-Alleinvertretungsanspruches fuer die mehrheitlich tamilische Bevölkerung im Norden und Osten der Insel, die am Wochenende verkuendet wurde, stellt den bisherigen Hoehepunkt eines Umdenkens in den politischen Chefetagen von Colombo dar. Gerade jene Kraefte, die noch vor den Wahlen gewettert hatten, die damalige konservative Regierung betreibe einen Ausverkauf des Landes an die Tamil Tigers, haben sich binnen weniger Wochen einen Riesenschritt auf diese zubewegt. Fuer viele Einwohner Sri Lankas sowie ausländische Beobachter birgt dies in der Tat deutliche Chancen für einen baldigen Neustart des eingefrorenen Friedensprozesses.

Schon beim Amtsantritt der neuen Regierung unter Premier Mahinda Rajapakse, einem gemaessigten Politiker aus dem Sueden, hatte es erste Offerten gegeben. Der Kabinettschef sprach sich fuer neue Verhandlungen aus, und der wieder ins Aussenamt zurueckgekehrte Exminister Kadirgamar nahm im Auftrag der Praesidentin Tuchfuehlung mit Neu-Delhis Botschafter auf, ob denn nicht vielleicht der grosse Nachbar Indien noch einmal eine aktivere Rolle im srilankischen Friedensprozess einnehmen würde. Auch wenn Chefgesandter Nirupam Sen das Ansinnen zwar in diplomatischer Verpackung, aber dennoch deutlich zurueckwies, zeigte doch zumindest der Verstoss, dass die UPFA-Regierung gewillt ist, jeden nur denkbaren Versuch zu unternehmen, um eine Lösung zu herbeizuführen.

Colombo hielt auch still, als LTTE-Verbände aus dem Norden zu Ostern gegen Truppen des abgespaltenen Ost-Kommandeurs Oberst Karuna vorgingen. Während Karuna inzwischen als verschwunden gilt, werteten Politik und Armee die Kämpfe nicht ausdrücklich als Verstoß gegen das seit Februar 2002 mit den Rebellen bestehende und von einer internationalen Monitoringmission ueberwachte Waffenstillstandsabkommen. Nicht zuletzt ging die neue srilankische Fuehrung wieder auf die Norweger zu, die als Vermittler im Friedensprozess auftreten und den bisherigen Verhandlungen den Weg geebnet hatten. Waehrend die Diplomaten aus Skandinavien seit dem einseitigen Rückzug der LTTE-Fuehrung vom Verhandlungstisch im April 2003 ohnehin nicht viel bewegen konnten, hatte sie Praesidentin Kumaratunga später mit dem Vorwurf der Parteinahme fuer die Rebellen in einigen Fragen zusätzlich brüskiert. Das seinerzeit zerschlagene Porzellan scheint inzwischen wieder gekittet, und die Norweger begannen mit der Entfaltung neuer Aktivitäten. Der erfahrene Diplomat Erik S. Solheim kehrte in seine Chefvermittlerrolle zurück und traf sich mit beiden Seiten zum Gespräch – der Regierung in Colombo ebenso wie dem Chef des politischen Flügels der LTTE, S.P. Thamilselvan.

quelle - Junge Weltelt - Germny -11.5.2004

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