08 January 2005

Die Flutwelle vereint und teilt Sri Lanka

Tamilen und Singhalesen bewältigen Katastrophe gemeinsam / Politische Annäherung lässt aber weiter auf sich warten

Von DEBORAH PASMANTIER

Kilinochchi. Als am Morgen des 26. Dezember die Flut Sri Lanka erreichte, machte das wütende Wasser keinen Unterschied zwischen Tamilen und Singhalesen. Das von den tamilischen Befreiungstigern (LTTE) kontrollierte nordöstliche Drittel der Insel leidet seitdem ebenso wie das von der Regierungsarmee beherrschte Areal unter den Folgen der Jahrhundertflut - doch zu einer wirklichen Annäherung zwischen beiden Landesteilen auf der politischen Ebene hat die Katastrophe bislang nicht geführt. Das gemeinsame Schicksal angesichts der insgesamt mehr als 30000 Toten auf der Insel scheint die Konfliktparteien ebenso zu einen wie der aufkommende Streit um die Verteilung der Hilfsgüter sie trennt.

In den singhalesisch-tamilischen Beziehungen gilt seit der Flut so etwas wie ein Moratorium - die Spannungen nehmen zumindest nicht weiter zu. Doch der im Februar 2002 nach 30 Jahren Bürgerkrieg ausgehandelte Waffenstillstand ist alles andere als gewiss. Die im April 2003 abgebrochenen Friedensgespräche unter norwegischer Vermittlung haben bislang wenig Aussicht auf Wiederaufnahme.

Zumindest zwingen die Folgen der Flut beide Seiten zu einem Mindestmaß an Zusammenarbeit auf örtlicher Ebene. In den von der Armee kontrollierten Tamilengebieten suchen Soldaten und LTTE-Kämpfer ohne Ansehen der ethnischen Zugehörigkeit gemeinsam nach Überlebenden und Toten. "Manchmal findet die LTTE Leichen von Singhalesen, die sie den Soldaten übergibt. Es gibt manchen Austausch", sagt Thaya Masta, der Chef der Öffentlichkeitsarbeit des politischen LTTE-Flügels in der Rebellen-"Hauptstadt" Kilinochchi im Norden des Landes.

In allen Tamilenbezirken - gleich unter welcher Kontrolle - haben die Rebellen spezielle Einsatztruppen aufgestellt, welche die Verteilung der Hilfe koordinieren sollen. Dabei arbeiten auf Ebene der Bezirksverwaltungen Vertreter aus Colombo, LTTE-Kräfte und Hilfsorganisationen Seite an Seite. In der Rebellenzone arbeitet auch der Regierungsbeamte K. Shvaran, der die Angelegenheit von der praktischen Seite sieht: "Das hier ist ihr Gebiet, also stimmen wir uns automatisch ab."

Schwieriger gestaltet sich die Kooperation zwischen den übergeordneten Verantwortlichen. Vergangene Woche rief Sri Lankas Präsidentin Chandrika Kumaratunga zu einer inselweiten Koordinierung der Hilfsbemühungen unter Einbezug aller Parteien auf und mahnte das Land zur Einigkeit. Der politische Rebellenführer S.P. Thamilselvan antwortete eher zurückhaltend, die LTTE habe bereits Vorschläge zur Zusammenarbeit auf den Tisch gelegt. Wenn die "Absichten in Handeln übertragen" würden, könne es einen "positiven Schritt in Richtung Vertrauensbildung" geben. Zugleich aber zweifelt Thamilselvan aber unverblümt an den "ernsten Absichten" der Präsidentin.

Seither prägen die Spannungen über die Verteilung internationaler Hilfsleistungen wieder den Dialog. Jede Seite verdächtigt die andere, die Lieferungen in eigenen finanziellen und politischen Profit ummünzen zu wollen. Die Regierung wirft der LTTE vor, nicht wirklich eine Zusammenarbeit anzustreben und die internationale Hilfe in den eigenen Gebieten selbst kontrollieren zu wollen. Das bestreiten die Rebellen postwendend und zitieren Berichte, wonach ausgerechnet die Armee in den östlichen Tamilenstädten Trincomalee, Ampara und Batticaloa Hilfsgüter beschlagnahme, anstatt sie an Bedürftige zu verteilen.

Für Rätselraten sorgt nach wie vor auch der Brand eines Lagers für Flut-Flüchtlinge in den Tamilengebieten am vergangenen Sonntag. Unstrittig ist nur das Ereignis selbst. Colombo legt nahe, die LTTE habe das Lager abgebrannt, um die Bewohner für die Annahme singhalesischer Hilfe zu bestrafen. Die Rebellen nennen das "eine Lüge". Die Regierung stelle vielmehr keine ausreichende Unterstützung für die tamilischen Gebiete bereit und brauche zu lange, um Zusagen umzusetzen. Derartige "Propaganda" der Regierung sei Teil eines "strategischen Plans, der in den Köpfen der internationalen Spender Verwirrung stiften soll" zum Nachteil der Tamilen, befindet LTTE-Politchef Thamilselvan. (afp)

Quelle - saar-echo
Die Zeitung für das Saarland

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